Anmerkung des Übersetzers: Dieser Artikel ist der dritte Teil einer früheren Artikelserie, die sich mit dem Wachtturm-Studienartikel von April 2024 zum Thema “geistiges Paradies” befasst. (Klicken Sie hier für den ersten Teil. Und hier für den zweiten Teil)


Der Wachtturm-Studienartikel führt fünf Dinge als Beweis dafür an, dass sich Jehovas Zeugen bereits jetzt in einem geistigen Paradies befinden. Schauen wir uns das erste davon an. In Absatz fünf heißt es:

5 Gesund und gut ernährt. In Jesajas Prophezeiung erkennt man einen klaren Unterschied zwischen den Bewohnern des geistigen Paradieses und denen, die nicht darin leben. (Lies Jesaja 65:13.) Jehova versorgt seine Diener großzügig mit allem, was sie brauchen, um ihm nah zu bleiben. Wir haben seinen heiligen Geist, die Bibel und jede Menge geistige Nahrung, sodass wir „essen“, „trinken“ und uns „freuen“ können. (Vergleiche Offenbarung 22:17.) Von denen, die nicht im geistigen Paradies sind, heißt es hingegen, dass sie „Hunger leiden“, „Durst leiden“ und „Schande erdulden“. Sie genießen nicht die Vorteile, die eine Freundschaft zu Jehova mit sich bringt (Am. 8:11).

Vor Jahren hieß es bei den Zeugen Jehovas, dass die “Wasser Babylons austrocknen”. Die Zeugen Jehovas pflegten dies im Zusammenhang mit dem Rückgang der Kirchenbesucher zu sagen. Während dieser Trend seit vielen Jahren bei den katholischen, lutherischen und auch einigen protestantischen Konfessionen zu beobachten ist, gibt es gleichzeitig ein bemerkenswertes Wachstum bei den Pfingstkirchen und anderen evangelikalen Konfessionen sowie bei den so genannten konfessionslosen Sekten. Auch die großen Mega-Kirchen haben in den letzten Jahren erheblich an Popularität gewonnen. Wir beobachten auch ein wachsendes Interesse an Bibelstudien und insbesondere an virtuellen Online-Bibelkursen.

In Anbetracht der Tatsache, dass jeder, der zu einem biblischen Glauben neigt, Zugang zur Bibel selbst hat, und in Anbetracht der Tatsache, dass es darüber hinaus absolut keinen Mangel an Pastoren und Theologen mit einer biblischen Botschaft gibt, ist der Kontrast in der Realität doch nicht so offensichtlich, wie die Wachtturm-Gesellschaft behauptet. Dann sollen sich die Zeugen Jehovas mal erklären, wie es sein kann, dass die weltweiten Millionen von Kirchgängern geistig hungrig und mit Scham belastet wären. Ist es dagegen nicht eher beschämend, dass die Leitende Körperschaft überhaupt solche Aussagen macht?

Wenn wir nämlich den entsprechenden Kontext der Prophezeiung des Amos lesen würden, könnten wir sehr wohl erkennen, dass das, was darin prophezeit wird, sich derzeit nicht erfüllt und dass die geistliche Hungersnot, von der die Rede ist, ganz sicher nicht bei einer großen Zahl von Kirchenbesuchern zu beobachten ist. Betrachten wir nun den folgenden Kontext:

An jenem Tag‘, erklärt der Souveräne Herr Jehova, ‚werde ich die Sonne am Mittag untergehen lassen und das Land am helllichten Tag verdunkeln. Ich werde eure Feste in Trauer verwandeln und alle eure Lieder in Trauerlieder. Ich werde Sacktuch auf alle Hüften legen und jeden Kopf kahl machen. Ich werde euch trauern lassen wie um den einzigen Sohn und am Ende wird es ein bitterer Tag sein. ‚Seht! Es kommen Tage‘, erklärt der Souveräne Herr Jehova, ‚da werde ich einen Hunger in das Land schicken. Es wird kein Hunger nach Brot sein und kein Durst nach Wasser, sondern danach, die Worte Jehovas zu hören. Sie werden von Meer zu Meer wanken und vom Norden bis zum Osten. Sie werden alles durchstreifen und nach den Worten Jehovas suchen, aber sie werden sie nicht finden. (Amos 8:9-12)

Stellen Sie sich vor, die Sonne geht mitten am Tag unter. Das wäre ein absolut erschreckendes Ereignis. Es würde sicherlich die Aufmerksamkeit aller auf sich ziehen. Jehova ließ einst die Sonne in Ägypten für drei Tage verdunkeln. Auch Jesus sprach in ähnlicher Weise von einer Zeit der metaphorischen Finsternis. In Matthäus 24:29 wird Jesus mit den Worten zitiert: „Direkt nach der Drangsal jener Tage wird sich die Sonne verfinstern, der Mond hört auf zu leuchten, die Sterne fallen vom Himmel und die Kräfte des Himmels werden erschüttert.”

Wie ist es dann möglich, dass eine geistige Hungersnot über diejenigen hereinbricht, die im “geistigen Paradies” leben – oder vielmehr über diejenigen, die sich einbilden, im geistigen Paradies zu leben? Wie alle Zeugen Jehovas sehr gut wissen, gilt die Wachtturm-Gesellschaft als das irdische Sprachrohr Jehovas. Auf der Jahresversammlung 2023 der Zeugen Jehovas erklärte der Redner, dass Gott, wenn er seinem Volk ein neues Licht schenken wolle, dies nur durch die Leitende Körperschaft tun würde. Sie sei Jehovas exklusiver Kommunikationskanal.

Nun gut. Was wird also passieren, wenn der Dritte Weltkrieg plötzlich ausbricht (manche behaupten übrigens, dass der Dritte Weltkrieg in diesem Moment bereits im Gange ist)? Was wird passieren, wenn all die anderen Dinge, die derzeit noch mit dem Jahr 1914 verbunden sind, dann plötzlich anfangen, sich zu ereignen? Was wird geschehen, wenn all die anderen Dinge, die derzeit noch mit dem Jahr 1914 in Verbindung gebracht werden, plötzlich ans Tageslicht kommen? Die Wortführer Jehovas haben nämlich mit Nachdruck erklärt, dass ein solcher Dritter Weltkrieg unmöglich beginnen kann. In der Tat würde ein allumfassender Krieg zwischen verschiedenen Atommächten schließlich in einem nuklearen Schlagabtausch gipfeln. Selbst ein begrenzter nuklearer Schlagabtausch würde unweigerlich zum Zusammenbruch der Zivilisation, wie wir sie heute kennen, führen. Es wird dann so aussehen, als sei die Sonne dunkel geworden, als scheine der Mond nicht mehr und als seien alle funkelnden Sterne vom Himmel gefallen.

Selbst wenn wir der Einfachheit halber annehmen würden, dass die Wachtturm-Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch in der Lage wäre, ein Wort Jehovas zu veröffentlichen, wenn ihre Bankkonten nicht mehr zugänglich sind und ein allgemeiner Belagerungszustand ausgerufen wird, was könnten sie dann überhaupt noch zu sagen haben? Wer würde ihnen dann in einer solchen Situation überhaupt noch zuhören?

6 Der Prophet Joel zählt Grund­nahrungs­mittel wie Getreide, Wein und Olivenöl auf, um zu zeigen, wie großzügig Jehova sein Volk versorgt (Joel 2:21-24). Er schenkt uns geistige Nahrung im Überfluss. Neben der Bibel und unseren Veröffentlichungen haben wir unsere Website sowie Zusammenkünfte und Kongresse. Wir können uns jeden Tag an einem reich gedeckten Tisch bedienen und sind dadurch im Glauben gesund und gut ernährt.

Seit mehr als 20 Jahren schreibe ich persönliche Botschaften an die Wachtturm-Gesellschaft. Ich habe auch viele Artikel und sogar ein ganzes Buch veröffentlicht, in denen ich die Missverständnisse im Zusammenhang mit der Auslegung der Prophezeiung von Joel durch die Organisation aufgezeigt habe. Und dann, wie durch ein Wunder, tauchte auf der Jahresversammlung 2019 als Reaktion auf meine frühere Herausforderung plötzlich ein neues Licht auf Joel auf.

Heute werden die Zeugen Jehovas laut der Wachtturm-Gesellschaft nicht mehr als Jehovas Armee betrachtet, die aus Heuschreckenschwärmen besteht. Tatsächlich hat die Wachtturm-Gesellschaft einseitig festgestellt, dass es keine moderne Erfüllung dieser Prophezeiung gibt… zumindest nicht in Bezug auf den Teil der Prophezeiung, der sich mit Heuschrecken befasst. Die Wachtturm-Gesellschaft behauptet, dass die Insekteninvasion, die eine Vorahnung des großen und furchterregenden Tages Jehovas ist, sich erfüllt hätte, als die babylonischen Heere Jerusalem erobert hatten. Damit ist nach Ansicht der Wachtturm-Gesellschaft alles gesagt. Gleichzeitig ignoriert die Wachtturm-Gesellschaft bequemerweise die Tatsache, dass in der Prophezeiung von Joel Babylon nicht einmal erwähnt wird.

Irgendwie unerklärlich, so die Wachtturm-Gesellschaft, dass Gottes Eingreifen als Antwort auf die Verwüstung, die angeblich durch die symbolische Insekteninvasion 2.500 Jahre zuvor verursacht wurde, erst 2.500 Jahre später stattfand! Und dass, obwohl der Heuschreckenangriff laut Wachtturm-Gesellschaft bereits in der Antike stattgefunden haben soll!

Aber Spaß beiseite, warum sollte Jehova Gott dann die Jahre der Bibelforscher und die Jahre der Zeugen Jehovas “entschädigen” müssen, wegen des Schadens, den die Juden 500 Jahre vor Christus erlitten haben?

Die Frage, die sich rechtdenkende Zeugen Jehovas stellen sollten, ist folgende:

Wie ist es möglich, geistig gesund und erfrischt zu sein, wenn der Sklave “zur rechten Zeit” einen ausgekochten Eintopf serviert, der aus einem bloßen faden Bissen besteht, der als frische und nahrhafte geistige Nahrung verkauft wird?

ENDE DRITTER TEIL